Nina Schedlmayer / ISBN 3-85160-035-5

„Jedermann weiß: eine Vernissage bietet Kunstwerke an, vor denen sich Menschen zur Schau stellen. Doch schweigen sie dabei nicht, sondern animieren einander zu einer Geräuschkulisse, die das Zuhören ebenso erschweren kann wie das Mitsprechen. (...) Eine Vernissage ist kein Fest für Trappisten. Sie bietet Gelegenheit zu entspannter Kommunikation durch Sprache und Gesten. Tut einer dabei nicht mit, so bleibt er außerhalb, ein Sonderling durch Schweigsamkeit. Er vergisst, dass von ihm neben der Kunstneugier auch Plauderbereitschaft erwartet wird.“1 Keine Plauderbereitschaft zu erwarten ist von den Akteuren in Manfred Grübls Personellen Installationen. Für die Dauer einer Eröffnung in einem Ausstellungsraum oder einer Pause in einem Theater verharren sie in einem sich permanent bewegenden sozialen Ereignisraum als statische Punkte und anwesend-abwesende Leerstellen wie die geisterhaften Erscheinungen in Malewitschs Spätwerk. In dezentem Artworld-Schwarz gekleidet, sind sie durch ihre ähnliche Statur und Haltung objekthaft-skulpturale Multiplikationen ihrer selbst. Nach Jean Alters Definition von der Funktion des Theaters2 erfüllen die Akteure ihre referentielle Funktion im Verweis auf das anwesende Publikum, ihre performative in Hinblick auf ihre eigene (Nicht-)Handlung. In sich zurückgezogen, starren sie teilnahmslos vor sich hin, verweigern jeden Kontakt mit Bekannten und präsentieren uns nicht wie Vanessa Beecrofts ebenso gelangweilte wie perfekte Models aufdringlich ihren Körper: sie scheinen ausschließlich physisch anwesend. Als Spiegelung des/der Betrachters/in führen sie ein nicht unbedingt angenehmes Szenario auf: eine Einsamkeit inmitten anderer, die den/die BesucherIn auf sich selbst zurückwirft. Immer sind es acht Personen, die in einem orthogonalen System angeordnet und durch ihre Blickrichtung mit-einander verbunden sind. Über die Köpfe des in Schüben eintreffenden Publikums hinweg vernetzen sie sich so zu einem Raster, das ein geschlossenes System darstellt und auf die Architektur reagiert. Auch wenn die Personelle Installation wie in der Berliner Nationalgalerie über den Ausstellungsraum hinausgeht, parallelisiert sie die Hermetik des zeitgenössischen Kulturbetriebs. Dessen komplexe Verbindungen sind oft von außen nicht durchschaubar und setzen sich in unberechenbarer Weise über ein wie auch immer angenommenes Publikum, das im „Betriebssystem Kunst“ gleichermaßen als Akteur involviert ist, hinweg. Manfred Grübls frecher Eingriff ist ein Akt der Sabotage, nutzt einen vorhandenen Rahmen mit Eventcharakter und unterläuft ihn gleichzeitig. Keine erläuternden Texte, keine Kommentare, keine Beschriftungsschilder – institutionalisierte Selbstverständlichkeiten einer erklärungsbedürftigen Kunstszene – klären über Künstler, Titel und Absichten auf. Mehr oder weniger heimlich geplant, bleiben die betreffenden Institutionen uninformiert über Grübls Aktionen, die Informationen dazu werden nur mündlich verbreitet. Da kann es schon mal passieren, dass selbst die unangefochtenen Größen des Kunstbetriebs ratlos Aufklärung suchen. Hier entsteht ein anderes, informelles Netz von Wissenden, das sich zunächst aus Grübls persönlichem Umfeld rekrutiert und schneeballartig wächst. Seine unberechenbare Struktur verhält sich konträr zum strengen Raster der Installation. Das Kunst-werk entzieht sich damit auch den Konventionen der Vermittlung, die möglichst allgemeinverständlich die Kunst einem meist undefinierbaren Publikum näher bringen soll – ein Unternehmen, das häufig zum Scheitern verurteilt ist. Damit spielt Grübl auf einen Informationsaustausch zwischen Eingeweihten, die mit der Institution des Aus-stellungsbetriebs vertraut sind, an. Wenn Manfred Grübl seine Personelle Installation während eines öffentlichen Ereignisses in einen (halb-)öffentlichen Raum errichtet, wirft er auch Fragestellungen um Öffentlichkeit und Privatheit auf. Als nicht immer gern gesehenes Zusatzkunstwerk zum eigentlich am bewussten Abend gefeierten bewegt sich die Personelle Installation zwar nicht am Rande der Legalität – im Gegensatz etwa zu Alexander Breners weniger ephemeren Zusatz zu Malewitschs Gemälde im Amsterdamer Stedelijk Museum, verursacht aber trotzdem manchmal Unbehagen und den (selbstverständlich nicht öffentlich artikulierten) Wunsch nach polizeilichen Maßnahmen bei den für Ausstellung und Eröffnung Verantwortlichen.3 Kann man aber Personen, die einfach nur dastehen, aus einem sich offen und tolerant gebenden Raum einfach hinauswerfen? Kann man andererseits eine eigenmächtige, ungeladene und ungebetene Installation zulassen? Und was passiert, wenn Manfred Grübl in seinem Lebenslauf – wichtiges Instrumentarium in einem Bezugssystem aus Kunstschaffenden, Institutionen, Zeitschriften, KuratorInnen, KritikerInnen und Galerien – die betreffenden Ausstellungsräume neben denen, in die er tatsächlich eingeladen war, anführt? Der subversive Akt betrifft also nicht nur die jeweilige Institution, sondern auch das eigene Selbstverständnis als Künstler und die Mittel des Eigenmarketings. Der CV, der umso mehr Beachtung findet, je mehr für wichtig befundene Ausstellungen, Institutionen und Literatur er anführt, wird als Bewertungsinstrument relativiert. In der langen Tradition institutionskritischer Kunst besteht die Stärke von Manfred Grübls Personellen Installationen in ihrer formal reduzierten Präzision bei gleichzeitig referentieller Komplexität. Oder: Das Statische wirkt subversiv.

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