Interview Manfred Grübl mit Didi Kern und Philipp Quehenberger / Monkey Island / magazine version 2

Didi Kern, Schlagzeuger von Bulbul, Broken Heart Collector, Fuckhead, Wipeout, Die Mäuse, Wenzl Dnatek u.a. fühlt sich in fast jedem Genre zuhause, ebenso wie der Keyboarder Philipp Quehenberger (Mego, Sabotage, Laton). Wenn beide aufeinander treffen, dann machen sie sich daran Dinge miteinander in Einklang zu bringen, die auf den ersten Blick alles andere als kompatibel erscheinen. Verspielte Elektronik trifft auf Freejazz, noisige Texturen hoher Intensität auf verspielte Melodien, schräge Harmonien und psychodelische Klangstrukturen. Was von den Beiden zelebriert wird, ist die Gratwanderung abseits aller gewöhnlichen musikalischen Normen. Beidseitig befruchtend war ihre Beziehung zu Franz West. Über einen Zeitraum von zehn Jahren arbeiteten der Künstler und die beiden Musiker immer wieder an gemeinsamen Projekten.

MG: Es gibt ja auf der einen Seite das CD-Projekt und es gibt den Club, den ihr machen wollt, vielleicht könnt ihr ein bisschen darüber erzählen.

PQ: Einmal im Monat machen wir den Club Egal im Celeste, da laden wir auch andere Leute ein, um Synergie und Kontinuum in die Sache hineinzubringen. Wir wollen Projekte, in denen wir involviert sind, featuren. Es gibt Konzerte und anschließend DJs oder vielleicht auch irgendeinen elektronischen Akt. Da wir beide mit einem Fuß in der elektronischen Musik stehen und mit einem Fuß in der Rock- oder Jazzmusik, gibt es das Problem beides zusammenzubringen. Die Leute, die das hören, mischen sich nicht unbedingt. Man muss erst den Pool an Leuten finden, die …

DK: … alles akzeptieren. Es wäre halt schön, wenn sich das irgendwie vermischen würde.

MG: Aber ihr werdet jetzt auch eine neue CD heraus bringen und es gibt auch eine Platte. In welche Richtung wird das dann überhaupt gehen? Wo seht ihr euch sozusagen in diesem Breitband an Musik?

PQ: Wir kommen beide eher aus der Punkszene, die auf eine gewisse Art eine Underground-Popszene war.

DK: Irgendwann in den 90er Jahren ist dann der Techno und das elektronische Zeug dazugekommen, wo wir uns beide unabhängig voneinander weiterentwickelt haben. Punk und elektronische Musik, das sind schon ziemlich wichtige Eckpfeiler und dann kamen Einflüsse von Jazz dazu, wobei für uns da eher der Improgedanke wichtig ist.

PQ: Wir haben auch kein Problem damit, wenn es ein bisschen jazzig ist, weil das halt lange verpönt war, es macht Spaß, bestimmte Sachen zuzulassen, die eigentlich total unmöglich sind.

DK: … oder auch mit Saxophonisten zu spielen, da ist man dann auch gleich im Freejazz.

PQ: Saxophon war absolut verpönt!

MG: In den 90er Jahren hat es in Wien ja quasi nur mehr Computermusik gegeben, die anderen Bands sind fast von der Bildfläche verschwunden, der Rote Engel hat zugesperrt, …

PQ: … ja, außer Radian hat es in Wien keine Bands gegeben, die in der Szene irgendwie einen Ruf gehabt hätten. Bevor ich nach Wien gekommen bin (1999), gab es in der Provinz hauptsächlich Punk und Hardcore.

DK: In Wien gab es Clubpartys in der Arena, das ist Anfang der 90er Jahre schon losgegangen, Izak Gold, Cheaplet und eben Mego ein bisschen später dann mit einer abstrakten Version … da haben wir uns kennengelernt.

PQ: In Linz gab es viele Bands und Fuckhead war eigentlich eine von den wichtigsten, das war damals die Band in der Hardcoreszene, muss man eigentlich sagen.

DK: Es hat schon Vorläufer gegeben, Tosshuser oder The Play waren eigentlich recht wichtig, die sind international sehr viel unterwegs gewesen. In Linz hat es dieses witzige Phänomen gegeben, dass die KAPU und Stadtwerkstadt durchaus auf dieses Hardcore/Punkding und Gitarrenmusik eingefahren sind, aber aufgrund dessen, dass dort die Ars Elektronica war, ist das in Linz mit Techno halt auch schon …

PQ: … aber sehr oft hat sich das einfach ausgeschlossen, entweder du warst ein Rocker oder du warst ein Techno oder du warst, was weiß ich was. Bei uns in der Provinz hat sich das alles gemischt, du hast mit allen auskommen müssen und hast dadurch alles auf eine gewisse Art akzeptiert. Ich bin auf Raves gegangen und genauso auf Hardcore- oder auf Jazzkonzerte. Man hat das irgendwie nicht so getrennt.

MG: Es war nicht so hermetisch wie in Wien.

PQ: Es war fast so wie in den 70er Jahren, wo Sun Ra am selben Abend gespielt hat wie, was weiß ich … The Creep. Es war schon irgendwie eine andere Perspektive, es ging eher darum, etwas zu machen, was halt eigen war …

DK: … eigen und was den Energiehaushalt zusammenhält, das war eigentlich wichtig. Beim Techno war es auch laut, da hat es auch schön geschnalzt und war sehr energetisch.

PQ: … eine Art Punkmoment irgendwie und wir haben dann auch gecheckt, dass das mit dem Techno eine Art Punk-Neuauflage ist, das hat mich von Anfang an interessiert.

MG: Was ich interessant finde – besonders bei dir Philipp – ist, dass es gar keinen Eventcharakter gibt, sondern dass es sich eher umkehrt. Es geht mehr darum, das Event aufzulösen, als zu versuchen die Leute irgendwie zu halten. Passiert das eher durch die Improvisation, oder steckt da ein Konzept dahinter?
PQ: Früher wollte ich, das war zumindest meine Vorstellung, dass nur coole Leute das gut finden, was ich mache, dass ich mit allen so eine Art persönliches Verhältnis habe, was natürlich nicht geht, aber eigentlich wollte ich immer, dass die Leute, um die es geht, überbleiben, die anderen waren mir immer ziemlich egal. Ich hab dann oft gespielt und es sind innerhalb der ersten 5 Minuten 90 % der Leute gegangen.

MG: Also ist die Musik dann fast wie ein Filter. Ich finde das vom Konzept her interessant, quasi die Umkehrung eines Events, da steckt ja eigentlich ein wahnsinniges Potential dahinter.

PQ: Ich würde nicht sagen, dass ich versucht habe, die Leute zu vertreiben, aber ich habe halt keine Kompromisse gemacht, was meine Ästhetik angeht. Ich hab immer versucht, mich einzustellen auf die Leute, die da sind, oder auf die Stimmung oder auf den Raum, auf die Atmosphäre. Ich merke dann auch, was möglich wäre, was das Potenzial ist, und auf das konzentriere ich mich und alles andere trennt sich dann von selber. Es kann sein, dass es voll bleibt, weil einfach gute Leute da sind, es kann aber auch sein, dass ich ausgebuht werde und die Hälfte vom Publikum abhaut und die andere Hälfte hasst mich. Aber das nehme ich in Kauf. Inzwischen ist es auch so, dass diese Ästhetik sich soweit verändert hat, dass das, was ich mache, auch nicht mehr so avantgardemäßig ist, sondern eigentlich von einem größeren Teil der Leute verstanden wird. Oft schaut man, wo man die Leute sozusagen erwischen kann. Wir haben ja auch in verschiedenen Kontexten gespielt, manchmal auf einer Technoparty oder manchmal auf einem Avantgarde-Ding …

DK: … da passt man sich schon recht an. Das, was wir in den Galerien, in Rocker-clubs oder Technobuden so gelernt haben, man nimmt von überall Eindrücke mit aus seinem früheren Leben. Wir kommen von einer Musikrichtung, die eher verpönt war, weil es was Schräges war oder irgendwas, was nicht so der Norm entspricht. Das ist halt das, was mir gefällt, ich schau nicht so sehr, wie das Publikum reagiert. Wir machen nicht offensichtlich Popmusik. Früher schaute man schon blöd, wenn beim Konzert die Leute gehen, aber man weiß dann auch, dass das passieren kann und mittlerweile, ich bin so dermaßen weit weg vom Publikum, wenn ich spiele, das kriege ich ganz selten mit, weil ich die Augen meistens zu habe und zumindest beim Improvisieren mehr auf meine Musikpartner schaue.

PQ: Ich glaube, bei mir ist es schon so, dass ich Pop …

DK: Du hast mehr Popverbindung, mehr Popaspekt in der Musik, zumindest von der Herangehensweise.

PQ: Ich versuche schon, die Leute zu halten, aber nicht um jeden Preis. Wir ecken teilweise auch im Improvisationseck ein bisschen an, weil wir gewisse Sachen zulassen, die dort verpönt sind, wie z. B. Harmonien mit Triolen, mit Terzen …

DK: … oder Beats eben.

MG: Ist das bei euch immer Improvisation oder übt oder probt ihr auch? Gibt es einen Proberaum?

DK: Wir üben, es gibt einen Proberaum, wir üben auch das Improvisieren und es ist witzig, wenn wir miteinander üben, dann spielen wir ganz andere Sachen, als wir sonst auf der Bühne spielen. Dann verkommen wir eher in einem Rhythmusmuster und arrangieren halt, Beat- und Bassläufe und Harmonien, da hat man weit nicht so den Approach, live geht es um Leben oder Tod, kommt mir vor … im positiven Sinne jetzt.

PQ: Ja, das ist ein Unterschied. Das ist auch das, dem wir uns aussetzen, weil wir überhaupt nicht wissen, was dann kommt.

MG: Im Celeste, … da hat es dann irgendwelche afrikanischen Schellen gegeben … wo kommt das jetzt eigentlich her?

DK: Es gibt World-Musik-Zeug, es gibt Jazz-Zeug, es gibt Hardcore, Punk, Techno, Metal, Pop, alles Mögliche. Es gibt eine Ebene, wo definitiv gute Musik gemacht wurde und das fließt alles hier hinein. Es gibt ein relativ großes Musikwissen, ich ziehe mir total viel Musik rein, weil es mir einfach taugt, auch obskures Zeug aus den 30er, 40er, 50er Jahren, keine Ahnung. Ich hab schon immer obskures Zeug gemocht, seit es Tonaufzeichnungen gibt und das ist ein bisschen so eine Quintessenz an Musik, die mich interessiert.

MG: Aber wo kriegst du das her?

DK: Lebenslanger Research … es gibt ein paar Leute über die Welt verstreut und auch ein paar in Österreich, der Christian Weniger, der Günter Schachinger von Wahn & Sinn in Linz, Leute, die einen guten Musikgeschmack gehabt haben. Der Erlog war ein Wichtiger, der mir auch ein wenig das Techno-Handwerk gezeigt hat und viele andere Leute. Der Austausch mit den Fuckhead-Leuten, da hat mir der alte Bassist den Jazz nahe gebracht.

PQ: Man lernt von verschiedenen Arten von Musikern verschiedene Sachen. Ich habe teilweise auch richtig Musik gelernt und habe mich mit dem auseinander-gesetzt, was von Musikern erwartet wird.

DK: Ja genau, in jedem Moment, sei es die Hochzeitsband oder sei es die Metalbude und was auch immer dazwischen.

PQ: Es ist eher so ein Bewusstsein, für das was es gegeben hat, dass halt Sachen in verschiedenen Kontexten funktioniert haben oder bestimmte Techniken und geistige Haltungen zu einer bestimmten Zeit wichtig waren. Es gibt Techniken auf die man zurückgreifen kann, als Material und nicht unbedingt als Philosophie.
DK: Wie es halt so ist, mit dem Reggae z. B., der wird auf Jamaika schön langsam zum Reggae gemischt mit dem Amyzeug, kommt dann irgendwann auch nach England, da passiert dann auf einmal Woodboy und weiter bis hin zu Sting und zur Popversion. Das ist ja ein irrsinniges Ding, und eigentlich ist es ein und derselbe Schmäh von Musik. In England hat es ja eher auch die harte Fraktion davon gegeben, und wir sind, glaube ich, musikalisch eher auf der roughen Seite sozialisiert worden oder haben uns selber sozialisiert. Das Energetische war für mich immer das absolute Muss bei einer Musik.

MG: Woher nimmst du diese Energie oder den Kick, dass du quasi noch ein Schäuflein nachlegst? Wo andere eigentlich schon am Plafond sind, da geht es dann bei dir noch weiter.

DK: Ich spiele seit 25 Jahren Schlagzeug. Am Anfang war alles noch sehr metal-fokussiert, aber umso breiter der Musikgeschmack geworden ist … und dann sieht man auch so Schlagzeuger wie Han Bennink, der 70 Jahre alt ist, der loslegt, dass ich mir denke: „Was bin ich für ein Würstel.“ Der hat die Füße auf der Trommel und holladaro. In den letzten Jahren spielt er leider nur mit Beserl und Snare, aber da rennt der Schmäh mit Beserl und Snare eine Stunde lang, dass du glaubst: „Geh … von vorne junger Herr!“ Die Energie, in die man sich selbst hineinspielt, das hat viel mit dem Publikum zu tun, man kriegt von der Weite schon mit, ob das irgendwie ankommt, ob jetzt alle dastehen und schauen, dann bin ich körperlich und schlagzeugtechnisch zu Sachen fähig, die im Proberaum oder sonst wo nicht möglich sind.

PQ: Man ist total fokussiert, wie in einer Trance. Es ist, als ob sich eine Verbindung zwischen uns aufbauen würde. Es geht von Moment zu Moment und zum nächsten Ton. Es komprimiert sich alles und man ist extrem schnell, man muss mehrere Sachen gleichzeitig berücksichtigen und man kommt in einen Zustand.

DK: Gerade beim Franz war das so, da haben wir einmal eine Session gehabt, wo wir 3 ½ Stunden Musik gemacht haben, am Stück. Da musst du es eine Zeitlang dahintröpfeln lassen, bis du mit der Materie zu Spielen beginnst. Nach einer Zeit relativiert sich das alles, da wirst du dann frech und probierst Neues aus und da passieren dann die irrsinnigsten Sachen, von Drum ’n’ Bass bis zum Landler.

PQ: Es geht sich aber aus, ohne dass es eine Parodie wird, dass mehrere Sachen, die von woanders hergenommen werden, in sich zusammenpassen, das ist mir wichtig. Ich wollte nie Crossover machen oder Techno mit Jazz mischen, sondern dass man etwas nimmt, nicht nur ästhetisch, sondern konzeptionell, das in einem anderen Kontext etwas komplett anderes sein kann, genauso wie wenn ich eine Melodie singe oder verschiedene Akkorde verwende, die sich verändern, obwohl sie sich eigentlich überhaupt nicht verändern. Jeder Bereich hat so seine Konzepte, wie z. B. in der elektronischen Musik, dass man halt mit Wiederholungen arbeitet oder im Jazz mit Skalen und Harmonien oder in der klassischen Musik mit Emotionen.

MG: Was mir generell bei der elektronischen Musik heute abgeht ist das Räumliche, man spielt nicht mehr mit der Intensität, es gibt nicht mehr dieses Laut und Leise das im Endeffekt den Raum ausmacht.

PQ: Die meisten Tracks sind wie eine gerade Wurst, früher hattest du solche Zacken. Vor fünf Jahren hat elektronische Musik noch ganz anders ausgeschaut. Jetzt ist alles wie ein Strich.

DK: Es verkommt alles zu einem Einheitsbrei. Es ist irrsinnig hip geworden Musik zu machen, wie der Laptop, der Tragecomputer, auch schön langsam Mode geworden ist. Dann hat es die ersten Programme dafür gegeben … und irgendwann kamen die portablen Studios … heutzutage hast du so ein kleines Interface, deinen Computer und halbwegs ein Programm und ein gescheites Mikrophon oder vielleicht noch ein Mischpult und ein Outboard gear, dann bist du schon dabei und kannst schon produzieren, früher war das kohletechnisch eine ziemlich aufwändige Sache.

MG: Ihr wollt ja in nächster Zeit eine CD herausbringen, was schwebt euch da vor, was wird das sein? Ist das quasi ein Mitschnitt von einem Liveact?

PQ: Wir werden Mitschnitte herausbringen. Live ist es doch immer besser gewesen als im Studio bis jetzt. Wir sind sogar schon öfters ins Studio gegangen, waren dann aber eher unzufrieden, weil es uns zu brav war, was da herausgekommen ist.

MG: Ihr wart beide mit Franz West befreundet, der mittlerweile verstorben ist. Ich habe mir das Konzert angehört bei seiner letzten Ausstellung im Mumok, die er am Anfang noch mitbetreut hat. Was habt ihr mit ihm so gemacht, ausgeheckt und wie war für euch das Konzert, wo er selbst nicht mehr da war, sondern nur mehr seine Objekte?

PQ: Das war schon sehr traurig.

DK: Die Stimmung war äußerst traurig.

PQ: Es war traurig, dass der Franz nicht mehr da war und dass das Ganze abgedriftet ist in etwas Museales. Er hatte immer etwas an sich, so dass man irgendwie Angst um ihn hatte. Er ist auf eine extreme Art sehr weit gegangen, auch wie er uns teilweise positioniert hat.

DK: Das war aber auch das Geniale an der ganzen Geschichte, er war echt ein Wahnsinn.

PQ: Wir als Jüngere haben uns gedacht: „Das war der beste Punk, der uns je über dem Weg gelaufen ist bis jetzt.“ Er war irgendwie gefangen auf eine Art, auch in seinem Umfeld, gleichzeitig hat er aber das alles mit Würde ertragen auf so eine extreme Art …
DK: … und mit seinem Schmäh kompensiert auf eine Art und Weise.

PQ: Ich glaube, wir haben ihn irgendwie zentriert, er ist jede Woche gekommen, das hat ihn total relaxt und es ist ihm gut gegangen. Und wir haben mit ihm über ästhetische Sachen reden können, von verschiedenen Winkeln. Wir hatten unseren musikalischen Winkel, aber Kunst ist Kunst, und wir haben mit über abstrakte Kunst reden können auf die gleiche Art, wie wir über Musik geredet haben.

MG: Es gibt vom Kierkegaard die Aussage, die höchste aller Künste ist die Musik, da gehe ich natürlich bei ihm von der klassischen Musik aus, weil es ins Metaphorische geht, in das Ungreifbare. Das macht ja die Kunst im Endeffekt interessant und der West hat für mich schon immer so etwas Ungreifbares gehabt.

PQ: Er war immer selbstironisch…

DK: … und ziemlich down-to-earth.

MG: An der Royal Academy in London hielt er einen Vortrag und du hast dort einen gewissen Eingriff gemacht, wie war das für dich?

PQ: Ich war ein Störfaktor. Ich hab das völlig unabhängig von meiner normalen Musikkarriere gesehen. In dieser Situation hatte ich die Aufgabe zu irritieren. West hat gewusst, dass er mit dem Optischen allein nicht denselben Effekt erzielen kann, als wenn das Akustische noch dazukommt. Also hab ich versucht die Leute vor den Kopf zu stoßen und ihm dadurch zu helfen, seine Arbeit verständlich zu machen. Ihm hat das wirklich gefallen. Ich dachte immer, ich kann bestimmte Sachen in bestimmten Kontexten nicht machen, aber in diesem Fall habe ich es gemacht. Und das hat mir auch geholfen, mich und meine Arbeit unabhängig zu machen, weil dadurch, dass das Publikum teilweise richtig unsympathisch war … das war auch seine Haltung gegenüber Leuten, die zugegriffen haben. Ich glaube, es hat ihm auch Spaß gemacht, Leute anrennen zu lassen bzw. sie zu testen. Er war richtig teuflisch manchmal.

MG: Ihr seid eine gute Rückendeckung für ihn gewesen.

PQ: Wir haben ihn ein bisschen beschützt.

DK: Wir sind hauptsächlich nur doof herumgesessen und wussten nicht, wie uns gerade geschieht. Er hat uns ab und zu definitiv als Abblocker mitgenommen, auch musikalisch, wenn die falschen Leute hingekommen sind und er gesagt hat: „Um Gottes Willen! Jetzt kommen die, geh bitte, fangt’s jetzt zum Spielen an.“ Wir sind dann andächtig eine halbe Stunde neben ihm gestanden, bis sie halt wieder abgedampft sind und dann, wenn sie weg waren … da hatten wir ihm gerade das Leben gerettet.

MG: Gibt es sonst auch noch etwas, das ihr ausgeheckt habt zu dritt oder zu zweit oder wie auch immer?

PQ: Der Franz wollte meine gesammelten Aufnahmen herausbringen, aber ich habe zu ihm gesagt, dass er das nicht machen kann. Ich habe ihm alle Aufnahmen, die ich gemacht habe, gegeben, aber nur für sich selbst. Er hat einen eigenen
I-Pod gehabt mit Sachen von mir und die hat er sich echt viel angehört. Ich hab das erst mit der Zeit gecheckt, dass er wirklich ein totaler Fan von mir ist und er hat mich echt respektiert. Viele Leute haben den Franz nicht ganz ernst genommen, auch als er schon total berühmt war, einfach von seiner Art her.

DK: Sie haben ihn belächelt.

PQ: Wenn er geredet hat, haben ihn viele nicht verstanden, er war so in sich gekehrt auf eine Art. Als ich ihn kennen gelernt habe sind wir gleich mal Freunde geworden. Ich hatte schnell das Gefühl, der Typ vergönnt mir alles, was mir Gutes passieren kann. Ich hatte nie das Gefühl, er ist eifersüchtig, wie ein Vater oder Bruder eifersüchtig sein kann, das hat er nicht gehabt, das hat ihn vielleicht auch ausgezeichnet.

DK: Er hat Entstehungsprozesse eher gefördert als abgewürgt, er hat etwas gedeihen lassen und er hat sofort mitbekriegt, ob da was ausgeheckt wird oder ob das eh nur warme Luft ist.

PQ: Er hat gecheckt, ob es wirklich um die Sache geht oder um etwas anderes, und wenn es um etwas anderes gegangen ist, dann hat er dich auch gelassen aber dann hat er dir den Teppich unter den Füßen weggezogen.

PQ: Wir haben John Cage-Aufnahmen für ihn gemacht. Er hat gesagt: „Jetzt macht doch mal ein John Cage-Stück …“

DK: … und dann haben wir uns hingesetzt und ein John Cage-Stück gemacht.

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