Manfred Grübl / Alexander Pühringer / frame

ALEXANDER PÜHRINGER
In regelmäßigen Abständen stehen da eine Reihe schwarzgekleider Männer an begehrten Vernissagen europaweit stoisch in der Menge der Gäste, zuletzt bei Sprüth Magers in Berlin bei der Eröffnung von Andreas Gursky. Was sind denn das eigentlich für Gestalten?

MANFRED GRÜBL
Wenn man zu einer Ausstellungseröffnung geht, tritt man normalerweise in einen Dialog mit Anderen ... man redet über Kunst oder über Marktentwicklungen und Strategien. Die Eröffnung ist sowohl für den Künstler als auch für den Galeristen eine wichtige geschäftliche Veranstaltung. Meine Performer werden ohne Kenntnis oder Einladung der Ausstellungsveranstalter oder der jeweiligen Künstler so in den Raum installiert, dass sie am Anfang der Veranstaltung kaum wahrnehmbar sind. Gegen Ende der Eröffnung wird die unauffällige Formation jedoch immer präsenter. Die Performer haben keine individuellen Merkmale sind austauschbar, unnahbar und es könnte sich im Prinzip um ein und dieselbe Person handeln, die achtmal im Raum auftritt.

A. P.
Haben Sie dabei so etwas wie eine Choreographie im Sinne?

M. G.
Die Aufstellungen werden nach einem orthogonalen System gebildet, das an den Raum angepasst werden kann, wobei der Blick an den Nächststehenden weiter gegeben wird. Je mehr Ausstellungsbesucher im Raum sind, desto weniger kann man das personelle System erkennen, lichtet sich der Raum, desto nachvollziehbarer wird es. Mit dem letzten Ausstellungsbesucher, der den Raum verlässt löst sich auch die Formation auf. Die Aktion wird vorher nicht angekündigt und subversiv eingesetzt. Ich suche geeignete Räume und Ausstellungssituationen, in denen die Struktur und körperliche Spannung für den Ausstellungsbesucher nachvollziehbar ist. Tänzer nennen diese Körperspannung „offener Blick“. Diese Events/Ausstellungseröffnungen haben immer eine zeitliche Beschränkung von 3 Stunden und eine genauen Ablauf mit dem ich arbeite.

A. P.
Arbeiten Sie dabei mit Schauspielern oder Performancekünstlern?

M. G.
Die Performer sind ausschließlich Schauspieler, Tänzer oder Personen, die sich mit Bewegung beschäftigen. Ohne besondere Ausbildung ist es unmöglich für die Dauer einer Ausstellungseröffnung in einer statischen Position auszuharren. Ich habe es selbst ausprobiert und kam nach 2,5 Stunden an meine Grenzen. Eine geschulte Person schafft 3,5 Stunden eine Spannung unter hoher Konzentration aufrecht zu erhalten. Für normale Personen ist es unmögliche sich über so einen langen Zeitraum zu konzentrieren und eine körperliche Spannung aufrecht zu erhalten.

A. P.
Wie casten bzw. schulen Sie die Protagonisten?

M. G.
In Regel gibt es in jeder Stadt eine Person die das Casting übernimmt. Es werden Schauspielschulen und Tanzschulen angeschrieben. Für die Vorbereitung wird ein Raum angemietet. Es werden Hose, Hemd, Schuhe an jeden Performer angepasst und man geht die Aufstellung durch. Ich bespreche mit jedem Einzelnen die Haltung und Präsenz des Körpers und welche Orientierung eingenommen werden soll. Es gibt dann noch ein worst case Szenario falls ein Performer umfällt und ich bespreche mit ihnen wie sie reagieren sollen für den Fall, dass sie angesprochen werden. Die Performer kommen dann einzeln nacheinander zur Eröffnung, zu einem Zeitpunkt an dem bereits viele Personen im Raum sind und nehmen ihre Positionen ein. Die Kleidung der Performer ist schwarz so wie 80 % des Kulturbetriebes gekleidet. Mir war dabei wichtig, dass die Performer hauptsächlich durch ihre Körperspannung und Analogie auffallen. Es gibt dann natürlich auch noch den Aspekt, dass eine schwarze Kleidung immer etwas Unkreatives hat. Wenn man nicht weiß, was man anziehen soll, dann zieht man eben schwarz an, vielleicht auch, um sich nicht eindeutig zu positionieren. Ein Phänomen, dass absurder Weise gerade im Kunstbetrieb auffällig ist.

A. P.
Wenn Ihnen danach ist, dann darf man schon mal in Ihrem Auftrag in eine Galerie eingesperrt werden oder in den Ring steigen. Was bedeuten eigentlich Ihre Interventionen im Bereich Ausstellung? Ist das Institutionskritik im Sinne der in den späten 1980ern von Peter Weibel so genannten "Kontext-Kunst"?

M. G.
Mit den beiden Arbeiten "Kidnapped" und "Crash Mat" die in einer Wiener Galerie umgesetzt wurden versuche ich das an sich langweilige und sich wiederholende Eröffnungsszenario umzudrehen. Bei der Installation "Kidnapped" gelangt der Ausstellungsbesucher durch ein Schleusensystem in den Galerieraum und muss dabei 3 Türen die sich automatisch schießen und sich nicht mehr öffnen lassen durchschreiten. Erst am Ende der Veranstaltung werden die Türen von einer Wach- und Schließgesellschaft geöffnet und der Ausstellungsbesucher kann die Galerie wieder verlassen. "Crash Mat" ist eine Installation mit einem schwergewichtigen professionellen Wrestler, der es als Aufforderung ansieht den Ausstellungsbesucher auf die Matte zu werfen, sobald er diese betritt. Beide Arbeiten und natürlich auch die personellen Installationen benutzen den Ausstellungsbetrieb um ritualisierte Verhaltensweisen sichtbar zu machen und aufzubrechen. Vereinfacht gesagt geht es bei der von Peter Weibel genannten 'KontextKunst' darum, dass nicht das ausgestellte Objekt sondern der Kontext oder die Situation in der es steht den Wert ausmacht. Die Künstlerinnen und Künstler nehmen dabei die Position von Analytikern ein, um die Zusammenhänge und Randbedingungen für Künstler, Kunstproduktion, ästhetischer Bewertung, Spekulationswert und Platzierung von Kunstwerken in verschiedenen institutionellen Kontexten aufzuzeigen.
Maenz schreibt in dem von Peter Weibel herausgegeben Ausstellungsband 'KontextKunst': "Offensichtlich braucht das Werk den "Kunstrahmen", den "Kontext", das "System", worin es als Kunst-Werk funktionieren kann. Der nächste Schritt liegt nahe, wenngleich er die größte Unruhe auslöst: Wenn ein Kunstwerk nicht notwendig an eine bestimmte Erscheinungsform gebunden ist, während der Kontext entscheidet – ist dann der Kontext, über den nur die oberflächlichen Fakten bekannt sind, nicht das eigentliche Interesse?“

A. P.
Sehen Sie sich als "politischen" Künstler?

M. G.
Jeder Mensch der Stellung bezieht ist mit dem er es macht politisch. Meine Arbeiten verlangen sehr oft vom Betrachter eine Art Selbstverantwortung. Eine Verantwortung, der man sich manchmal auch nicht entziehen kann, wie bei der Ausstellung „kidnapped“ und der Arbeit „Anna Stepanowna Politkowskaja“. Sie fordern Reaktionen über die Kunst und stellen die Gesellschaft und die eigene Person in Frage.

A. P.
Was ist das Wichtigste, das Sie Ihrem leider verstorbenen Lehrer Bruno Gironcoli gelernt haben?

M. G.
In der Schule Gironcoli war man als Student vom ersten Tag an ein vollwertiger Künstler. Sein Konzept zwei Ateliers zu einem Ausstellungsraum (den 8ter Raum) zu adaptieren, wo man einmal im Jahr ausstellen musste, ist voll aufgegangen. Für mich war so eine Intensive Auseinandersetzung mit Raum und Personen die sich in einer speziellen Situation befinden möglich.

A. P.
Kann Kunst die Welt verändern?

M. G.
Das ist eine Frage die man gar nicht so beantworten kann, weil es in der Kunst a priori nicht darum geht. Kunst kann aber auf alle Fälle die eigene Welt verändern und den Blick schärfen um Dinge anders zu sehen.

A. P.
Kann man Kunst lernen?

M. G.
Da gibt es eigentlich nichts zu Lernen. Es geht vielmehr darum eine Haltung zu entwickeln und den Blick auf Dinge zu schärfen. Die Universitäten verstehe ich daher als Freiräume der Auseinandersetzung und Entwicklung und nicht als Orte der Verschulung und Anhäufung von akademischen Titeln.

A. P.
Gibt es ein von Ihnen gehegtes "Traumprojekt"?

M. G.
Das ist für mich grundsätzlich jedes Projekt an dem ich arbeite. Ich brauche immer relativ lange um eine Arbeit umzusetzen und ich arbeite immer parallel ab mehreren Projekten. Die Endphasen der einzelnen Projekte sind für mich immer sehr wichtig. Sie erfordern sehr oft eine maximale Konzentration um die Arbeit abzuschließen. Utopische „Traumprojekte“ interessieren mich weniger. Mir ist es wichtig die Arbeiten, aus denen immer wieder neue Projekte entstehen konstant weiterzutreiber.

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