Manfred Grübl / Linda Klösel / Aussicht Performance / magazine version NR. 1

In Version Nr. 1 werden gesellschaftliche und künstlerische Handlungsräume in unterschiedlichen Medien ausgelotet und empirisch in einem offenen „Blatt“ zueinander gelegt. Zeitung und CD/DVD-Edition sind ein konzeptuelles Kunstprojekt, welches den marginalisierenden Marktbedingungen Eigeninitiative entgegensetzt.

Während die erste CD/DVD-Edition, die in der Ausgabe Version Nr. 0 vorgestellt wurde, ihren Schwerpunkt in der elektronischen Musik fand, werden in der zweiten Edition philosophische und konzeptuelle Ansätze vertreten. In einer eingeschränkten Auflage von zehn Exemplaren werden jeweils elf KünstlerInnen, MusikerInnen und PhilosophInnen präsentiert, die Sound als übergreifendes Basismaterial einsetzen. Rashim beispielsweise verwenden manuell geritzte CDs als Tonträger, Olga Neuwirth beschäftigt sich mit den Zeitdimensionen, die auf einer CD zur Verfügung stehen, Gerwald Rockenschaub benutzt visuelle Elemente, durch die Sound generiert wird, und Karlheinz Essl kommentiert verschiedene Kunstrichtungen wie Malerei, Film und Performance mit musikalischen Subtexten. Ein weiterer Teil der Edition ist die Dokumentation einer Ausstellungseröffnung, bei der Alarmanlagen von parkenden Autos ausgelöst wurden, eine subversive Aktion, die vorhandene Ressourcen nutzt, um Sound zu erzeugen (Grübl/Jermolaewa). Begleitend dazu, erscheint nun Version Nr. 1 mit Beiträgen zu unterschiedlichsten performativen Handlungsräumen.

„Sokrates hatte die Angewohnheit, Athener jedes Standes, Alters und Berufs auf der Straße anzusprechen. Ohne sich im Mindesten darum zu kümmern, ob sie ihn etwa für exzentrisch oder für unverschämt hielten, forderte er sie auf, ihm genau zu erläutern, warum sie bestimmte als vernünftig geltende Auffassungen teilten und was sie für den Sinn des Lebens hielten.“ (Alain de Botton) Das Infragestellen stillschweigender Übereinkünfte, die üblicherweise nicht mehr infrage gestellt werden, ist eine der zentralen Möglichkeiten performativer Praxis. Performative Methoden können überall eingebracht werden, sind ein subversives Mittel, um eingeschliffene Strukturen kritisch zur Disposition zu stellen; nicht eingebettet in institutionelle Strukturen, ist die performative Handlung eine politisch autonome künstlerische Form, die vorgegebene Codes bricht und neu interpretiert.

In unserer Zeit ist die „postmoderne“ Politik des Widerstands von ästhetischen Phänomenen durchzogen. Beispiele dafür sind Phänomene wie Crossdressing, wie das der japanischen Visual-Kei-Musiker und von deren Fans, die die femininen Seiten ihrer Persönlichkeit betonen, oder Flashmobs. Letztere stehen für den ästhetisch-politischen Protest, reduziert auf seinen minimalsten Rahmen. Leute finden sich zu einer bestimmten Zeit an einem festgelegten Ort ein, um nach kurzen, meist trivialen Aktionen wieder auseinander zu gehen. Slavoj Žižek bezeichnet das als urbane Poesie ohne wirklichen Zweck.

In der vorliegenden Ausgabe wird Jürgen Klauke zu seinen performativen Arbeiten befragt, in denen er immer wieder Zustände unterschiedlicher Identitätskonstruktionen thematisiert. Artur Zmijewski spricht mit Jacek and Katarzyna Adamas über ihren Kampf gegen eine Mülldeponie in Worlawki, Polen, und Elfriede Jelinek beschreibt den Zustand der Entfremdung zu ihrem eigenen Stück, während es für die Aufführung unter der Leitung eines Regisseurs geprobt wird. Teresa Margolles, eine mexikanische Künstlerin, zeigt die Situation in Culiacán, Sinaloa, Mexiko, auf, wo 2008 bereits 353 Personen ermordet wurden.

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