Anton Zeilinger / Quanten-Teleportation / ISBN 3-85160-035-5
Der Streit um die philosophischen Konsequenzen der Quantentheorie ist so alt wie die Theorie selbst. Experimente, die sich damals nur in Gedanken durchspielen ließen, sind heute jedoch im Labor durchführbar. Dadurch hat man das Wesen und die Eigenarten der Quantentheorie besser verstehen gelernt, gleichzeitig wurde der Grundstein zu einer neuen Informationstechnologie gelegt. Für die Crew von „Raumschiff Enterprise“ ist Beamen (von englisch “beam” für Strahl) längst Routine: Um einen fremden Planeten zu erkunden, betritt ein Team die Transportkammer. Lichter pulsieren, seltsame Klänge er-tönen, die Gestalten der kühnen Raumfahrer lösen sich auf – und erscheinen augenblicklich auf der Planetenoberfläche wieder. Ließe sich dieser Traum von der so genannten Teleportation realisieren, so wären langwierige Flugreisen mit mehreren Zwischenmahlzeiten überflüssig. Zwar wird das Beamen großer Objekte oder lebender Menschen wohl auch weiterhin reine Utopie bleiben. Doch die Quanten-Teleportation einzelner Photonen ist im Labor bereits gelungen. Die Quanten-Teleportation nutzt gewisse grundlegende – und äußerst seltsame – Eigenheiten der Quantenmechanik, eines Zweiges der Physik, der im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts entwickelt wurde, um Prozesse im Bereich der Atome zu erklären. Von Anfang an erkannten die Theoretiker, dass die Quantenphysik zu einer Vielzahl neuartiger Phänomene führt, die der Alltagserfahrung oft diametral zuwiderlaufen. Auf Grund technischer Fortschritte gegen Ende des 20. Jahrhunderts konnten die Forscher Experimente ausführen, die nicht nur fundamentale und oft bizarre Aspekte der Quantenmechanik demonstrieren, sondern auch vordem unvorstellbare „Kunststücke“ ermöglichen. In Science-Fiction-Geschichten erlaubt die Teleportation häufig das momentane Überwinden beliebiger Entfernungen und somit eines Grundprinzips der Einsteinschen Relativitätstheorie, wonach sich nichts schneller bewegen kann als Licht (siehe Raymond Y. Chiao „ Schneller als Licht? “, in: Spektrum der Wissenschaft 10/1993, S. 40). Die Teleportation ist jedenfalls weniger umständlich als die üblichen Mittel der Raumfahrt. Angeblich erfand Gene Roddenberry, der Schöpfer der Fernsehserie „Star Trek“ („Raumschiff Enterprise“) den Transporterstrahl, um die Kosten für das filmische Darstellen von Start– und Landemanövern auf fremden Planeten einzusparen. In der Science-Fiction variiert die Prozedur des Beamens zwar von einer Geschichte zur anderen, aber das Prinzip geht so: Ein Apparat analysiert das betreffende Objekt vollständig und sammelt dabei die gesamte zu dessen Beschreibung nötige Information. Ein Sender überträgt diese Daten zur Empfangsstation, wo daraus ein neues Original hergestellt wird. Manchmal wird auch das Material, aus dem das Original bestand, zur Empfangsstation transportiert, vielleicht in Form von Energie; in anderen Fällen entsteht die Kopie aus am Empfangsort bereits vorhandenen Atomen und Molekülen. Freilich scheint die Quantenmechanik ein derartiges Verfahren prinzipiell zu verbieten. Das Heisenbergsche Unbestimmtheitsprinzip besagt, dass man niemals zugleich den exakten Ort und den exakten Impuls eines Objektes festzustellen vermag. Somit lässt sich der Gegenstand, der teleportiert werden soll, auch nicht völlig exakt analysieren; Ort und Geschwindigkeit jedes Atoms und Elektrons sind stets mit einer gewissen Unbestimmtheit behaftet. Heisenbergs Prinzip gilt auch für andere Paare von Messgrößen und verbietet alles in allem, den gesamten Quantenzustand eines Objekts vollständig und exakt zu messen. Doch gerade das wäre nötig, um sämtliche zur genauen Beschreibung des Originals erforderlichen Daten zu erhalten. Im Jahre 1993 warfen einige Physiker diese Lehrmeinung über den Haufen, indem sie einen Weg entdeckten, die Quantenmechanik selbst für die Teleportation einzuspannen. Charles H. Bennett von IBM, Gilles Brassard, Claude Crépeau und Richard Josza von der Universität Montreal (Kanada). Asher Peres vom Technion, dem israelischen Technologie-Institut, und William K. Wootters vom William College (Massachusetts) fanden heraus, dass eine seltsame, aber grundlegende Eigentümlichkeit der Quantenmechanik – die so genannte Verschränkung – dazu dienen kann, die von Heisenbergs Unbestimmtheitsprinzip auferlegten Beschränkungen zu umgehen, ohne es zu verletzen.
Literaturhinweise
Quantenmechanik verstehen. Von Herbert Pietschmann, Springer Verlag, Wien 2002 – Entanglement. The Greatest Mystery in Physics. Von Amir D. Aczel, Four Walls Eight Windows, New York 2002 – Einsteins Schleier. Von Anton Zeilinger, Beck Verlag, München 2003 – Quantum Theory: Weird and Wonderful. Von A. J. Leggett in: Physics World, Bd. 12, S. 73 (1999) – Quantum Information. Sonderheft von Physics World, Bd 11 Heft 3 (1998) – Experimental Quantum Teleportation. Von D. Bouwmeester et al. in: Nature, Bd. 390, S. 575 (1997) – Quantum Information and Computation. Von Charles H. Bennett in: Physics Today, Bd. 48, (1995, S24) – Weblink: www.quantum.at
Anton Zeilinger is Professor of Experimental Physics at the University of Vienna. His research work concentrates on experiments with photons, neutrons, atoms and, more recently, molecules. The first realisation of quantum teleportation was an international sensation.