Gespräch: Nina Schedlmayer, Manfred Grübl, Linda Klösel / magazine version
Nina Schedlmayer: Was war eigentlich der Auslöser dafür, das Magazin VERSION zu gründen?
Manfred Grübl: Die Wiener Sound-Szene der 90er-Jahre hat mich damals dazu inspiriert, speziell elektronische Musik in einer Edition und einer Zeitungsausgabe zusammenfassen. In der ersten Ausgabe des Magazins gab es die Cover der CD-Edition und dazu jeweils eine speziell von den Künstler*innen gestaltete Textseite.
Nina Schedlmayer: Wen habt ihr vor Augen und für wen macht ihr die Zeitung? Ist das ein Projekt von der Kunstszene für die Kunstszene?
Linda Klösel: Unser Anliegen ist ja, dass wir einen Diskurs unter Künstlern und Künstlerinnen sichtbar machen wollen. Wir sehen das eigentlich als dialogische Arbeit. Ansprechen wollen wir alle, die sich dafür interessieren, wie Künstler*innen sich positionieren und welche Prozesse und Beschäftigungen zu bestimmten Formaten und Handlungsformen führen.
Manfred Grübl: Wobei wir immer auch darauf achten, die Kunst- und Kulturszene hier in Österreich in einen größeren Kontext zu setzen. Neben Textbeiträgen und künstlerischen Interventionen stellen wir in jeder Ausgabe einen alternativen oder experimentellen Ort vor, wie School, Saprophyt oder die One Work Gallery.
Nina Schedlmayer: Das erste, das natürlich auffällt, ist das Format. So große Formate gibt es selten. Das macht die Zeitschrift quasi zu einem Objekt.
Linda Klösel: Das sollte ja auch nie eine Zeitung sein, die man liest und die dann irgendwann im Papierkorb landet., außerdem bietet das Format den künstlerischen Interventionen im Heft genügend Raum.
Manfred Grübl: Diese Seiten werden, wie auch die Textformate, in enger Zusammenarbeit und im Austausch mit den Künstler*innen erarbeitet. Wir besprechen mit den Teilnehmer*innen immer, in welcher Form sie teilnehmen wollen. Oft sind es dann Gespräche oder Interviews, manchmal in spezieller Form, wie bei Salvatore Viviano, der ein Interview mit sich selbst geführt hat, oder bei Saprophyt, deren Text sich durch das Weiterschreiben unterschiedlichster Personen entwickelt hat, oder bei der Intervention von Theresa Margolles. Manche laden wiederum andere Künstler*innen ein, an ihrem Beitrag mitzuwirken, wie Artur Żmijewski oder Cana Bilir-Meier.
Nina Schedlmayer: Das Format, das starke Papier, aber auch, dass die Zeitung konsequent Schwarz/Weiß gedruckt ist, unterstreichen diesen Objektcharakter. Schwarz/Weiß hat natürlich eine grafische Qualität und im Vergleich zu anderen Kunstzeitschriften, die alle farbig und abbildend sind, zeigt sich da schon ein anderes Narrativ.
Manfred Grübl: Ja, Schwarz/Weiß nimmt etwas weg und verstärkt dadurch bestimmte formale Qualitäten. Wir wollen ja nicht abbilden oder dokumentieren, keine Metatexte verfassen, die dann illustriert werden, sondern uns geht es um einen Dialog, sowohl auf textlicher als auch visueller Ebene. Die Künstler*innen wissen ja mit welchem Medium sie arbeiten und stellen uns entsprechend geeignetes Material zur Verfügung.
Nina Schedlmayer: In eurem Konzept steht, dass jede Ausgabe sich aus aktuellen virulenten Themen heraus entwickelt. Für VERSION 05 plant ihr die Auswirkung aktueller Umbrüche und Krisen auf die Methoden von Produktion zu untersuchen. Wie kommt ihr auf diese Themen?
Linda Klösel: Das ist eigentlich ganz einfach. Die globalen sozialen Krisen, der neue politische Faschismus, Klimawandel ... all das spitzt sich zu und beschäftigt uns ja alle sehr. Diese Auseinandersetzungen sind zunehmend sichtbar in der Produktion von Kunst, Musik und Literatur, oder Theater. Uns interessiert, wie Künstler*innen mit diesen Fragestellungen umgehen, welche Positionen sie einnehmen und welche Schlüsse sie daraus ziehen, formal und strategisch. Das sind oft langwierige Prozesse, die schon im Vorfeld einer Produktion verhandelt werden und die zu methodischen Entscheidungen führen.
Nina Schedlmayer: Und wie sind die CD-Editionen, die ja immer noch zu jedem Heft erscheinen, inhaltlich damit verknüpft?
Manfred Grübl: Auch bei den CD-Editionen ist uns wichtig, unterschiedliche Disziplinen miteinander zu vernetzen. Es gibt da nicht nur Soundarbeiten, sondern auch besondere Dinge wie z.B. ein Referat von Burkhard Schmid zum Nulldefizit oder eine alte Festwochenaufnahme, Anton Webern gesungen von Marie Therese Escribano, von 1961. Es gibt Textbeiträge im Heft, wie das Interview mit Philipp Quehenberger und Didi Kern, oder einen Beitrag zur modernen Musik des 20. Jahrhunderts von Hugues Mousseau. So verschränken sich die Dinge wieder, auch über die Generationen hinweg, weil sie irgendetwas miteinander zu tun haben.
Nina Schedlmayer: Dieser Szenen-Gedanke ist interessant. Kann es sein, dass ihr beobachtet, dass das Interdisziplinäre wieder weniger wird? Es gibt doch immer wieder Leute, die in den unterschiedlichsten Medien arbeiten.
Linda Klösel: Ja, das schon, aber die Szenen bleiben im Großen und Ganzen unter sich. Das sind Blasen, die an bestimmten Stellen durchlässig sind. Diese Stellen sind für uns eigentlich besonders interessant. Wie z.B. Selma und Sofiane Ouissi, die eigentlich vom Tanz kommen, in Tunesien sozial-politische Projekte gemacht haben, aus denen sie wiederum Elemente in Form von Gesten in ihre performativen Arbeiten aufnehmen. Sie erarbeiten ihre Performances mit Live-Videoübertragungen, was dann wieder zu interessanten Raumkonstellationen führt, die für klassische Ausstellungshäuser interessant sind.
Nina Schedlmayer: Die diversen Beiträge, die ihr habt, rekrutiert ihr die aus dem eigenen Netzwerk, das dann weiter geknüpft wird?
Manfred Grübl: Klar spielt unser Netzwerk eine gewisse Rolle, aber meistens wenden wir uns an Personen, die wir persönlich gar nicht kennen. Es gibt immer einen Impuls, warum uns eine Arbeit oder bestimmte Personen interessieren oder warum diese für die jeweilige Ausgabe interessant sein könnten. Die Themenkreise, mit denen wir uns beschäftigen, lösen diese Impulse aus und wir schreiben diese Personen dann einfach an. Oft entsteht der Inhalt einer Ausgabe aus dieser Beschäftigung heraus und steht am Anfang noch gar nicht fest.
Linda Klösel: Aber so entwickelt sich natürlich auch ein Netzwerk. Für den Beitrag über Army of Love habe ich an einem ihrer Workshops teilgenommen und war sozusagen an der daraus entstandenen Ausstellung beteiligt. So entstehen neue Kontakte und Auseinandersetzungen.
Manfred Grübl: Das führt uns vielleicht zurück auf diese Form des Dialogs, den wir anstreben. Im eigenen Netzwerk bestätigt man sich ja meist gegenseitig. Wir wollen da eher gewisse Fragestellung aufwerfen, vielleicht tiefer graben und diese Auseinandersetzungen auch nach außen hin öffnen.