Manfred Grübl / Linda Klösel / Editorial / magazine version 2
In der dritten Ausgabe unserer Zeitschrift VERSION Nr. 2 beschäftigen wir uns mit kulturellen und künstlerischen Praxen, die im weitesten Sinne im Austausch mit aktivistischen, sub- und popkulturellen Auseinandersetzungen stehen.
VERSION ist ein konzeptuelles Kunstprojekt, welches ausschließenden Marktbedingungen Eigeninitiative entgegensetzt und Handlungsräume vorstellt, die Auswirkungen auf gesellschaftspolitische Systeme haben können.
Während die erste CD/DVD-Edition, die in der Ausgabe VERSION Nr. 0 vorgestellt wurde, ihren Schwerpunkt in der elektronischen Musik fand, waren in der zweiten Edition philosophische und konzeptuelle Ansätze vertreten. In einer limitierten Auflage von zehn Exemplaren wurden jeweils elf KünstlerInnen, MusikerInnen und PhilosophInnen präsentiert, die Sound als übergreifendes Basismaterial einsetzen. Begleitend dazu, erschien VERSION Nr. 1 mit Beiträgen zu unterschiedlichsten performativen Handlungsräumen.
Gilles Deleuze hat in einem Interview mit Claire Parnet gemeint: „Sich für Freiheit einzusetzen, revolutionär werden, heißt nichts anderes als Rechtsprechung zu betreiben. Recht wird dabei durch Rechtsprechung geschaffen und nicht durch Achtung der Menschenrechte und Gerechtigkeit.“ Nehmen wir ihn beim Wort, dann müssen Grund- und Menschenrechte immer wieder durch widerständiges Handeln neu verhandelt werden, um nicht zur bloßen Attitude zu verkommen. Widerstand zeigt sich in unterschiedlichen Formen und ist erfinderisch in seinen Methoden, von der stillen Performance Erdem Gündüz’ während der Gezi Park Bewegung in Istanbul bis hin zu Guerilla Gardening als subtiles Mittel politischen Protests und zivilen Ungehorsams im öffentlichen Raum. Jenseits aller Repräsentation oder parlamentarischen Reformen suchen Widerstandsbewegun-gen nach direkten Wegen, wahrgenommenes Unrecht zu überwinden, um gut und gerecht verstandene Zustände (wieder-)herzustellen oder die Voraussetzun-gen für ein besseres Leben zu schaffen. Subversive Ausdrucks- und Aktions-formen bewegen sich oft an den Grenzen von Legalität und Illegalität und verwischen diese, um im Rahmen von sozialen Bewegungen die Formen ihrer Verkettung zu problematisieren.
In der vorliegenden Ausgabe berichten A&O über ihre Auseinandersetzung mit außergewöhnlichen Bedingungen für Aufenthalt, Kommunikation und Produktion, Övül Ö. Durmusoglu schreibt über die Arbeit von Nilbar Güres, die sich mit der Rolle muslimischer Frauen im öffentlichen Raum auseinandersetzt und die Musiker Philipp Quehenberger und Didi Kern werden von Manfred Grübl zu ihren gemeinsamen Projekten interviewt. Der Beitrag von Tina Leisch handelt von ihrem neuen, gemeinsam mit Erich Hackl konzipierten, Dokumentarfilm Roque Dalton, erschießen wir die Nacht! Rodque Dalton ist der bedeutendste Dichter und konsequenteste Ideologe von El Salvador der zwei Mal von den Militärdiktaturen zum Tode verurteilt und von einer Person aus den eigenen Reihen am 10. Mai 1975 erschossen wurde. Die Sozialwissenschaftlerin Eva Kratzwald beschäftigt sich mit dem Phänomen urbaner Commons und analysiert die Konflikte um den immer heftiger umkämpften öffentlichen Raum, Fatih Aydogdu beleuchtet die sich neu ordnende Situation der Kunstszene in Istanbul nach dem Gezi-Aufstand und gemeinsam mit Claudia Cavalla reflektieren wir die Arbeiten des russischen Architekten und Künstlers Alexander Brodsky, in dessen Architekturen eine Skepsis gegenüber konsumistischen und technologischen Lösungskompetenzen spürbar ist. Sixpackfilm stellt sich als Vermittlungsagentur für österreichische experimentelle Filme und Videos vor und nicht zuletzt wird die Grundidee von Saprophyt weitergeführt und der Kunstraum von Barbara Kapusta und Stephan Lugbauer in Form eines sich immer weiter entwickelnden Gesprächs diskutiert.