Manfred Grübl / nach einem Gespräch mit Linda Klösel
Ein öffentlicher Raum definiert sich durch sein demokratisches Prinzip. Eine Intervention kann hier auf struktureller Ebene Differenzen und strukturbildende Mechanismen verdeutlichen. Entscheidend dabei ist, ob wir öffentlichen Raum eher physisch, sozial oder mental begreifen. Meine performativen Installationen finden unangemeldet an Ausstellungseröffnungen in Galerien und Institutionen statt. Ich partizipiere so an einem Kunstbetrieb, der sich als Teil des Finanzkapitals mehr und mehr der Diskussion stellen muss, wie er mit der Diskrepanz zwischen dem Wunsch nach Vermittlung kritischer Diskurse und der Realität zunehmender Ökonomisierung umgehen will. Meine Aktionen sind nicht als rein subversive Opposition zu lesen, sondern thematisieren die Bruchlinie zwischen partizipatorischer Intervention und opportunistischer Komplizenschaft.
Jeder Mensch, der Stellung bezieht, handelt dadurch auch politisch. Meine Arbeiten verlangen sehr oft vom Betrachter eine Art Selbstverantwortung. Eine Verantwortung, der man sich manchmal nicht entziehen kann, wie bei der Ausstellung kidnapped oder der Arbeit Anna Stepanowna Politkowskaja. Sie fordern Reaktionen über die Kunst und stellen die Gesellschaft und die eigene Person in Frage. So auch meine Performance 4 minutes demo am Roten Platz in Moskau, mit der ich die Mechanismen staatlicher Sicherheitsmechanismen herauszufordern versuche.
Ein weiteres Projekt zusätzlich zu meiner eigentlichen künstlerischen Tätigkeit ist die Produktion der Zeitung Version. Jede Ausgabe konzentriert sich auf jeweils ein Thema, das kunstimmanente Phänomene und Fragestellungen mit gesellschaftlichen und soziopolitischen Entwicklungen verknüpft. Texte, Interviews und Gespräche werden von KünstlerInnen, Kulturschaffenden und ProduzentInnen aus den unterschiedlichsten Sparten verfasst und redaktionell bearbeitet. Von konventionellen Kunstmagazinen unterscheidet es sich dadurch, dass es auf journalistische und kunsttheoretische Metaberichterstattungen verzichtet und Themen direkt aus der Sicht produktiver Involviertheit behandelt.
Kurzbeschreibung der angeführten Arbeiten
kidnapped audience / Installation / plasterboard, steel profile, doors and door check
Der/Die AusstellungsbesucherIn gelangt über ein Schleusensystem in den Galerieraum und muss dabei 3 Türen die sich automatisch schließen und sich nicht mehr öffnen durchschreiten. Erst am Ende der Veranstaltung werden die Türen durch eine Wach- und Schließgesellschaft geöffnet und die AusstellungsbesucherInnen können die Galerie wieder verlassen. Die Konstruktion bildet eine „Schwelle“, die die Trennung des gesellschaftlichen Außenraum von der Innenwelt des Kunstsystems verdeutlicht.
Anna Stepanowna Politkowskaja / Spionspiegel, print on paper
Politkowskaja gehörte zu den wenigen JournalistInnen, die während des Tschetschenien-Krieges bewusst und kontinuierlich im Widerspruch zur offiziellen Darstellung aus der Krisenregion berichteten. Verbrechen der russischen Armee und der mit ihnen verbündeten paramilitärischen tschetschenischen Gruppen kamen so an die Öffentlichkeit. Anna Politkowskaja wurde am 7. Oktober 2006 im Lift ihres Wohnhauses durch mehrere Schüsse ermordet aufgefunden. Meine Arbeit zeigt ihr Portrait hinter einem halbtransparenten Polizeispiegel, der gleichzeitig unser eigenes Gesicht reflektiert, das sich mit dem Ihren überlagert. Wenn wir uns also ihrem Porträt bzw. ihrer Geschichte nähern, wird es uns nicht gestattet Distanz einzunehmen und so zu tun, als hätte dies alles nichts mit uns zu tun.
Personelle Installation
Besuchen wir eine Ausstellungseröffnung befinden wir uns in einem sozial und kulturell codierten Raum, der zumindest teilweise öffentlich ist und gewisse Zielgruppen einschließt. Inmitten von Objekten, die sowohl mit einem ökonomischen als auch einem ideellen Wert aufgeladen sind, bewegen und verhalten wir uns nach ritualisierten Kommunikationsmustern und Stereotypisierungen. Dieser eingeübte Habitus, der Sprache, Bewegung und Kleidung mit einbezieht, unterstreicht die eingeschworene Gruppenidentität, die, ob wir das wollen oder nicht, ausschließend wirkt. Während der Dauer einer Ausstellungseröffnung positionieren sich acht uniform gekleidete Personen nach einem geschlossenen orthogonalen System und bleiben bis zum Ende der Veranstaltung in dieser Position stehen. Die jeweilige Ausrichtung wird an den nächststehenden Akteur weitergegeben. Es könnte sich um ein und dieselbe Person handeln, die sich acht Mal im Raum befindet, eine Art Replikaktion, die auf die sie umgebenden räumlichen und gesellschaftlichen Systeme anspielt.
crash-mat / Installation mit einem schwergewichtigen Sportler und einer Matte
In crash-mat müssen die BesucherInnen die Kontrolle über ihren Körper in die Hände eines schwergewichtigen Wrestlers legen, der sie buchstäblich aufs Kreuz legt, bevor sie an der Eröffnung der Ausstellung teilnehmen dürfen. Sie müssen sich also die Teilnahme an der Kunst erkämpfen, zumindest jedoch müssen sie sich dem Ereignis bewusst überlassen und ev. ein Risiko eingehen. Andernfalls sind sie von einer Teilnahme ausgeschlossen.
4 minutes demo / Intervention Moskau roter Platz
Der Rote Platz in Moskau ist durch die politische Lage in Russland immer mehr zur Hochsicherheitszone geworden. Straßensperren, Polizeibewachung, Kameraüberwachung, Militärposten bilden einen Filter um den Platz. Jede erfolgreiche Durchbrechung der Überwachungssysteme, ist folglich eine potentielle Demonstration. Die Aktion dauerte vier Minuten - danach wurde sie von einer Polizeistreife und FSB-Leuten abgebrochen.
La Joconde / Paris 2010
La Joconde ist der Versuch einen Angriff auf Leonardo’s Mona Lisa, einer Ikone der Kunstgeschichte, vorzutäuschen. Das dabei entstandene Video dokumentiert das hektische Eingreifen des Securitypersonals, das sich bemüht mich zu überwältigen, in dem Moment als ich über die Absperrung trete, um mich dem Bild zu nähern. Ich beziehe mich hier auf den Diebstahl der Mona Lisa im Jahr 1911 an, der dem Werk durch den Skandal, den diese Tat auslöste, zu noch größerer Berühmtheit verhalf. Das Publikum strömte ins Museum, um sich die leere Stelle an der Wand anzusehen. Das Medienecho und der bis heute ungebremste Handel mit Reproduktionen erinnert an moderne Marketingmethoden, die Kunstwerken ihren ökonomischen Wert verleihen.