Gespräch: Magnus Hofmüller, Manfred Grübl / wie hast Du zum Fahrrad gefunden?

Magnus Hofmüller: Du bist in Tamsweg (Salzburg) aufgewachsen – eine bergige Gegend in den Österreichischen Alpen. Welchen Stellenwert hatte das Fahrrad in deiner Kindheit und Jugend – war es Sportgerät, Fortbewegungsmittel, …? Bzw. wie hast Du zum Fahrrad gefunden?

Manfred Grübl: In unserer Familie gab es kein Auto und das Transportmittel meiner Mutter war ein schwarzes Waffenrad mit einem Kindersattel am Lenker montiert. Ich kann mich daran erinnern, dass wir zu meiner Großmutter gefahren sind. Es gab dort einen Bauernhof mit vielen Tieren und bei neun Kindern meiner Großmutter waren auch immer viele Onkel, Tanten und deren Kinder dort. Später gab es eine Zeit, da veranstalteten wir jeden Tag Radrennen mit alten Rennrädern, die von meinem Bruder selber zusammen gebastelt wurden. Geradelt wurden 20–30 km bei extremem Gefälle und Steigungen. Ich war zu dieser Zeit sehr sportlich, mir ging es aber auch darum, den eingeschränkten räumlichen Radius zu erweitern, mich vom üblichen Familienzwang abzunabeln und mehr Freiheiten zu gewinnen. Diese Freiheit hat das Radfahren für mich immer noch und in diesem Sinne ist auch alles erlaubt.

MH: Du bist freischaffender Künstler und hast Architektur und Bildhauerei studiert.
Waren für Dich Themen wie Mobilität immer schon Teil deiner Arbeiten?

MG: Mobilität im Sinne von Veränderung – nicht so sehr im Sinne von Nomadentum. Kunst und Architektur sind für mich dann interessant, wenn sie sich an die vorhandene Situation anpassen und von einer Generation gestaltet werden, die in dieser lebt. Mobilität muss jede Generation durchleben. Künstlerisch gesehen versuche ich immer die AusstellungsbesucherIn in meine Arbeit zu involvieren, sodass sie Teil meiner Arbeit wird. Ich selbst bin dabei in einer sehr glücklichen Position, weil ich Ausstellungsbesucher und Autor zugleich bin und so die Möglichkeit habe aus zwei Perspektiven heraus Veränderungen vorzunehmen, um dann ein optimales Ergebnis zu erzielen. Architektur oder Bildhauerei sind für mich grundsätzlich dasselbe, es geht um Raum und Personen, die in Bezug zueinander stehen und manchmal sogar auch eine Reaktion hervorrufen.

MH: Vieler deiner Performances und Installationen wie 4 minutes demo, Liquid Bread oder Autarke Versuchsanordnung finden im öffentlichen Raum statt. Welche Faktoren wie zum Beispiel Sichtbarkeit, Kommunikation bzw. Interaktion sind für
dich wichtig bzw. beeinflussen und inspirieren dich?

MG: Der öffentliche und halböffentliche Raum ist interessant, weil er sich von den Auswahlkriterien der Museen, Galerien und KuratorInnen distanziert. Ich würde sogar soweit gehen und behaupten, dass eine politische Position eingefordert werden kann. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele. Egal ob Innen- oder Außenräume, Räume sind grundsätzlich einfach da und werden von Menschen benutzt. Im Grunde ist es mir egal ob eine Intervention in einer Galerie, einem Museum, einem Theaterfoyer oder auf der auf der Straße stattfindet – ich konzipiere meine Installationen immer für ein Publikum, das ich im Vorfeld genau analysiere, und daraus entsteht meistens etwas ganz Spezifisches, das manchmal schwer und manchmal leicht zu lesen ist. Aus diesem Gedanken heraus sind unterschiedliche Arbeiten entstanden wie 4 Minuten Demo, Ranggler, Liquid Bread, kidnapped, Crash Mat und Personelle Installation die unterschiedliche Systeme in unserer Gesellschaft hinterfragen.

MH: Deine Performance-Fahrt unter dem Titel Sharpener durch Los Angeles im Jahr 2016 hat Dich ja auf vielen Ebenen mit Mobilität, Urbanität, Kommunikation und natürlich auch Fahrradfahren konfrontiert. Noch dazu auf schwierigem Terrain. Los Angeles ist ja nicht bekannt für alternative Verkehrskonzepte und hat natürlich auch Stadtgebiete, die auf mehreren Ebenen als problematisch gelten. Kannst Du uns von deiner Idee, deinen Eindrücken und dem Projekt insgesamt berichten?

MG: Im Zentrum des Films Sharpener steht ein geringfügig adaptiertes Fahrrad aus den 1960 Jahren: Ein Schleifbock wird über einen Gummiriemen vom Hinterrad betrieben. Ein Ständer hebt das Hinterrad an, so dass der Schleifbock in verkehrter Sitzposition betrieben werden kann. Die Scherenschleiferei ist ja ein altes Gewerbe des fahrenden Volkes, das im Begriff ist auszusterben, in unserer globalen Gesellschaft hat es jedoch zukunftsweisende Aspekte, weil dem Großen das Kleine gegenübergestellt wird. Kommt es zu einem Auftrag, wandelt man die verbrauchte Energie der Wegstrecke in eine gewinnende Energie um. Das Fahrrad ist so Fortbewegungsmittel, Arbeitsstätte und Kraftwerk in einem. Ich habe die Stadt Los Angeles bewusst ausgewählt, um ihr etwas entgegen zu setzen. Meine Vorurteile haben sich im Laufe des Projekts ein wenig verändert. Natürlich ist die Stadt noch immer eine wahnsinnige Energieschleuder. Es ist aber ein Umdenken spürbar, z.B. gibt es Stadtbusse mit Fahrradträgern. Es gibt viele Elektroautos, Mülltrennung zumindest teilweise. Das größte Glück ist aber das Wetter, welches sich auf die Psyche der Menschen extrem positiv auswirkt. Ich war dort 1000 km mit dem Rad unterwegs und hab ungefähr 200 Messer und Scheren geschärft. Meistens war ich zwei Tage an einem Ort, weil sich herausgestellt hat, dass man ein Vertrauen aufbauen muss um zu einen Auftrag zu kommen. Ein Messer ist für manche ja auch eine Waffe und so bekam ich manchmal die Antwort, dass sie kein Messer im Haus hätten. Mir gefiel der Gedanke, dass es vielleicht wirklich so ist: Man kauft sich einfach nur Fertigprodukte im Supermarkt, die man dann in der Mirco aufwärmt … so haben manche auch ausgesehen!

MH: Neben Installationen und Performances bist Du ja auch Alltagsradler und Commuter. Welche Wege erledigst Du mit dem Fahrrad und was fährst Du momentan?

MG: Na ja … ich fahre jeden Tag so 18 bis 25 km bei jedem Wetter in der Stadt. Ich bewege mich dabei zwischen dem 2. und 15. Bezirk in Wien. Mein Fotolabor ist im 7. Bezirk, für Zuschnitte muss ich nach Mödling, da fahre ich bei Schlechtwetter teilweise mit Schnellbahn und mit dem Rad. Bei schönem Wetter ist es aber ein guter Ausgleich mit dem Rad. Ich habe unterschiedliche Räder. Ein Klapprad von Dahon, das ich auch im Zug oder ins Flugzeug mitnehmen kann, ein altes Francesco Moser und ein Bottecchia, mit dem ich meistens in der Gegend herumgurke.

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